Folk Tale

Von einem Hahn und einem Edelstein

Translated From

Von einem hanen und einem edeln steine

AuthorUlrich Boner
LanguageMiddle High German
LanguageGerman
OriginSwitserland

Von ungefähr hat sich's getan Eines Tages, dass ein Hahn Flog auf seines Herren Mist, Wie das schon oft geschehen ist. Er suchte sich dort Speise Nach des Klugen Weise Und fand — nicht konnt's im nütze sein — Dort einen großen Edelstein Unwürdig liegen in dem Kot. Da sprach er so: "Allmächt'ger Gott, Umsonst hab' ich den Fund getan! Ein Gerstenkorn mehr mir nützen kann Als du. Nichts bist du nütze mir. Was soll ich, unnütz Ding, mit dir? Vernimm's, mir kann nicht nütze sein Die Herrlichkeit und Schönheit dein. Wenn Meister Hippokras dich fänd', Der besser dich gebrauchen könnt' Als ich, da ich nicht kenne dich." So warf der Hahn den Stein von sich, Da er gar wertlos ihm erschien; Ein Haferkorn bedünkte ihm viel mehr.

Dies Beispiel sei erzählt Dem Toren, der den Kolben wählt, Der mehr ihm als ein Königreich. Dem Toren sind die alle gleich, Die Weisheit, Kunst und Ehr' und Gut Verschmähn in ihrem Torenmut; Für die frommt nichts der edle Stein. Dem Hund ist mehr ein Knochenbein Als ein Pfund Gold, das glaube mir. Also drängt hin der Toren Gier In Sitten und Gebärde Auf Üppigkeit der Erde.

Sie merken nicht des Steines Wert Und sehn nicht, was dies Beispiel lehrt, Und wie darin verborgen ist Viel guter Sinn und weise List, Die unbekannt dem Narren sind. Die Narren! Sehend sind sie blind. Der Tor soll ruhig weiter gehn Und hier dies Beispiel lassen stehn, Denn keine Frücht' er daraus zieht, Recht wie dem Hahnen ihm geschieht.


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