Folk Tale

Herzeleid

Translated From

Hjertesorg

AuthorH.C. Andersen
Book TitleEventyr
Publication Date1835
LanguageDanish

Other Translations / Adaptations

Text titleLanguageAuthorPublication Date
Cuore affrantoItalian__
HeartacheEnglish__
LanguageGerman
OriginDenmark

Es ist eigentlich eine Geschichte in zwei Teilen, mit der wir hier aufwarten; der erste Teil könnte recht gut fortfallen, – aber er gibt uns die Vorkenntnisse, und die sind nützlich!

Wir hielten uns weiter drinnen auf dem Lande auf einem Herrenhofe auf. Da traf es sich, dass die Herrschaft dort für einen Tag fortfuhr und an demselben Tage aus dem benachbarten Flecken eine Frau mit ihrem Mops kam. Sie kam, wie sie sagte, um Aktien auf ihre Gerberei aufzunehmen. Ihr Papiere hatte sie mitgebracht und wir rieten ihr, einen Umschlag darum zu tun und den Namen des Gutsbesitzers darauf zu schreiben: "Generalkriegskommissar, Ritter etc."

Sie tat, wie wir ihr sagten, sie ergriff die Feder, stockte und bat uns, die Aufschrift noch einmal zu wiederholen, aber langsam. Wir taten es und sie schrieb. Aber mitten im "Generalkriegs" blieb sie stecken, seufzte und sagte: "Ich bin nur ein Frauenzimmer." Den Mops hatte sie auf den Fussboden gesetzt, während sie schrieb, und er knurrte. Er war wegen seiner Gesundheit und um seines Vergnügens willen mitgenommen worden, und dann will man nicht auf den Fussboden gesetzt werden. Stumpfnase und Speckrücken waren seine äusseren Kennzeichen.

"Er beisst nicht!" sagte die Frau, "er hat keine Zähne. Er ist wie jemand, der zur Familie gehört, treu und bissig, aber dazu ist er von meinen Enkelkindern gebracht worden. Sie spielen immer Hochzeit, und er soll Brautjungfer sein, das strengt ihn zu sehr an, das alte Tier!"

Und sie liess ihre Papiere da und nahm den Mops auf den Arm. Das ist der erste Teil der eigentlich entbehrlich war.

"Der Mops starb!" das ist der zweite Teil.

Es war eine Woche später; wir kamen in den Flecken und zogen in einen Gasthof. Unsere Fenster gingen auf den Hof hinaus, der durch einen Bretterzaun in zwei Teile geteilt war. In dem einen hingen Felle und Häute, rohe und gegerbte, und hier standen auch alle Materialien zu einer Gerberei; sie gehörte der Witwe. – Der Mops war an diesem Morgen gestorben und hier im Hofe begraben worden. Der Witwe Enkelkinder, dass heisst also der Gerberwitwe, denn der Mops war nicht verheiratet gewesen, klopften das Grab zu. Es war ein schönes Grab, es musste wahrlich ein Vergnügen sein, darin zu ruhen.

Das Grab war mit Topfscherben eingefasst und mit Sand bestreut. Oben darauf hatten sie eine kleine Bierflasche mit dem Halse nach oben gesetzt, aber es war nicht allegorisch gemeint.

Die Kinder tanzten rund um das Grab und der älteste der Knaben, ein praktischer Jüngling von sieben Jahren, schlug vor, dass das Grab des Mopses ausgestellt werden solle, und zwar für alle Kinder aus der Strasse. Der Eintritt musste mit einem Knopf bezahlt werden, das war etwas, was jeder Knabe besass und was er auch den kleinen Mädchen liefern konnte, und der Vorschlag wurde einstimmig angenommen.

Und alle Kinder aus der Strasse und der Nebenstrasse kamen und gaben ihren Knopf. Da kam mancher dazu, den ganzen Nachmittag lang mit nur einem Hosenträger herumzulaufen, aber dafür hatte man auch des Mopses Grab gesehen, und das war es wohl wert.

Doch draussen vor dem Gerberhofe, dicht an der Pforte, stand ein kleines zerlumptes Mädchen, so hübsch und niedlich, mit dem schönsten Lockenhaar und Augen so blau und so klar, dass es eine Lust war. Sie sagte nicht ein Wort, sie weinte auch nicht, aber sie machte so lange Augen, wie sie nur konnte, jedesmal, wenn die Tür geöffnet wurde. Sie wusste genau, dass sie keinen Knopf besass und blieb deshalb traurig draussen stehen. Dort stand sie, bis alle fortgegangen waren; dann setzte sie sich nieder, hielt die kleinen, braunen Händchen vor die Augen und brach in Tränen aus. Sie allein hatte des Mopses Grab nicht gesehen. Das war ein Herzeleid, so gross wie es oft die Erwachsenen nicht haben.

Wir sahen es von oben – und von oben gesehen – ja, über diese, wie über viele unserer und anderer Sorgen – konnten wir lächeln! Das ist die Geschichte, und wer sie nicht versteht, kann Aktien auf die Gerberei der Witwe nehmen.


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