Folk Tale

Hofhahn und Wetterhahn

Translated From

Gårdhanen og vejrhanen

AuthorH.C. Andersen
Book TitleEventyr
Publication Date1860
LanguageDanish

Other Translations / Adaptations

Text titleLanguageAuthorPublication Date
Il gallo del tetto e il gallo del pollaioItalian__
El gallo de corral y la veletaSpanish__
The farm-yard cock and the weather-cockEnglishH. P. Paull1872
Le coq de poulailler et le coq de girouetteFrench__
LanguageGerman
OriginDenmark

Zwei Hähne waren da, einer auf dem Misthaufen, einer auf dem Dach, hoffärtig waren sie beide, wer von den beiden richtete aber am meisten aus? Sage uns deine Meinung, wir behalten dessen ungeachtet doch unsere eigene bei.

Der Hühnerhof war durch einen Holzzaun von einem anderen Hof getrennt, in welchem ein Misthaufen lag, und auf dem Misthaufen lag und wuchs eine grosse Gurke, die das Bewusstsein hatte, ein Mistbeetgewächs zu sein.

"Dazu wird man geboren," sprach es im Innern der Gurke, "nicht alle können als Gurken geboren werden, es muss auch andere Arten geben! Die Hühner, die Enten und der ganze Viehbestand des Nachbarhofes sind auch Geschöpfe. Zu dem Hofhahn auf dem Holzzaun sehe ich nun empor, er ist freilich von ganz anderer Bedeutung als der Wetterhahn, der so hochgestellt ist und nicht einmal kämpfen, geschweige dann krähen kann; er hat weder Hühner noch Küchlein; er denkt nur an sich und schwitzt Grünspan! Nein, der Hofhahn, das ist ein Hahn! Sein Auftreten ist Tanz! Sein Krähen ist Musik; wo er hinkommt, wird es einem gleich klar, was ein Trompeter ist! Wenn er nur hier herein käme! Und wenn er mich auch mit Stumpf und Stiel auffrässe, wenn ich auch in seinem Körper aufgehen müsste, es wäre ein seliger Tod!" sprach die Gurke.

Nachts kam ein entsetzliches Wetter; Hühner, Küchlein und selbst der Hahn suchten Schutz; den Holzzaun zwischen den beiden Höfen riss der Wind nieder, dass es krachte; die Dachziegel fielen herunter, aber der Wetterhahn sass fest; er drehte sich nicht einmal, er konnte sich nicht drehen, und doch war er jung, frisch gegossen, aber besonnen und gesetzt; er war alt geboren, ähnelte durchaus nicht den fliegenden Vögeln im Himmelsraum, den Sperlingen, den Schwalben, nein, die verachtete er, sie seien Piepvögel von geringer Grösse, ordinäre Piepvögel! Die Tauben, meinte er, die seien gross und blank und schimmernd wie Perlmutt, sähen aus wie eine Art Wetterhahn, allein sie seien dick und dumm, ihr ganzes Sinnen und Trachten gehe darauf aus, den Wams zu füllen, auch seien sie langweilige Dinger im Umgang, sagte der Wetterhahn. Auch die Zugvögel hatten dem Wetterhahn ihre Visite gemacht, ihm von fremden Ländern, von Luftkarawanen und haarsträubenden Räubergeschichten mit den Raubvögeln erzählt, das war neu und interessant, das heisst, das erste Mal, aber später, das wusste der Wetterhahn, wiederholten sie sich, erzählten stets dieselben Geschichten, und das ist langweilig. Sie waren langweilig, und alles war langweilig, mit niemandem konnte man Umgang pflegen, jeder und alle waren fade und borniert.

"Die Welt taugt nichts!" sprach er. "Das Ganze ist dummes Zeug!"

Der Wetterhahn war, was man blasiert nennt, und diese Eigenschaft hätte ihn gewiss für die Gurke interessant gemacht, wen sie es gewusst hätte, allein sie hatte nur Augen für den Hofhahn, und der war jetzt auf dem Hof bei ihr.

Den Holzzaun hatte der Wind umgeblasen, aber das Ungewitter war vorüber.

"Was sagt ihr zu dem Hahnenschrei?" sprach der Hofhahn zu den Hühnern und Küchlein. "Das war ein wenig roh, die Eleganz fehlte."

Und Hühner und Küchlein traten auf den Misthaufen, und der Hahn betrat ihn mit Reiterschritten.

"Gartengewächs!" sprach er zu der Gurke, und durch dieses eine Wort wurde ihr seine ganze tiefe Bildung klar, und sie vergass, dass er in sie hackte und sie auffrass.

"Ein seliger Tod!"

Und die Hühner kamen, und die Küchlein kamen, und wenn das eine läuft, so läuft das andere auch, und sie glucksten und piepten, und sie schauten den Hahn an und waren stolz darauf, dass er von ihrer Art war.

"Kikeriki," krähte er, "die Küchlein werden sofort zu grossen Hühnern, wenn ich es ausschreie in den Hühnerhof der Welt!"

Und Hühner und Küchlein glucksten und piepten!

Und der Hahn verkündete eine grosse Neuigkeit:

"Ein Hahn kann ein Ei legen! Und wisst ihr, was in dem Ei liegt? In dem Ei liegt ein Basilisk. Den Anblick seines solchen vermag niemand auszuhalten; das wissen die Menschen, und jetzt wisst ihr es auch, wisst, was in mir wohnt, was ich für ein Allerhühnerhofskert bin!"

Und darauf schlug der Hofhahn mit den Flügeln, liess den Hahnenkamm schwellen und krähte wieder; und es schauderte ihnen allen, den Hühnern und den kleinen Küchlein, aber sie waren gar stolz, dass einer von ihren Leuten so ein Allerhühnerhofskerl war; sie glucksten und piepten, dass der Wetterhahn es hören musste, und er hörte es, aber er rührte sich nicht dabei.

"Das Ganze ist dummes Zeug!" sprach es im Innern des Wetterhahns. "Der Hofhahn legt keine Eier, und ich bin zu faul dazu; wenn ich wollte, ich könnte schon ein Windei legen, aber die Welt ist kein Windei wert. Das Ganze ist dummes Zeug! Jetzt mag ich nicht einmal länger hier sitzen."

Und damit bracht der Wetterhahn ab, aber er schlug nicht den Hofhahn tot, obgleich er es darauf abgesehen hatte, wie die Hühner sagten; und was sagt die Moral?

"Immerhin noch besser zu krähen als blasiert zu sein und abzubrechen!"


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