Folk Tale

Der Hahnenstein

Translated From

La Preta de lo Gallo

AuthorGiambattista Basile
Book TitleLo cunto de li cunti overo lo trattenemiento de peccerille
Publication Date1634
LanguageNeapolitan

Other Translations / Adaptations

Text titleLanguageAuthorPublication Date
The Stone in the Cock's HeadEnglish__
ATU560
LanguageGerman
OriginItaly

Ehrlich währt am längsten; wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein; es ist nichts so fein gesponnen, es kommt endlich an das Licht der Sonnen; um gegen Schurken zu zeugen, haben auch die Mauern Ohren, und Diebstahl und Hurerei bleiben niemals verborgen; wie ich euch dies beweisen werde, wenn ihr genau aufpasset. Es war einmal in der Stadt Schwarzloch ein gewisser Mineo Aniello, der so vom Unglück verfolgt wurde, daß alle seine liegende und fahrende Habe aus einem verkrüppelten Hahn bestand, den er mit Brosamen aufgefüttert hatte. Da er sich jedoch einmal vom Hunger sehr gepeinigt sah und der Hunger doch selbst den Wolf aus dem Walde jagt, so beschloß er, ihn zu verkaufen. Er trug ihn daher auf den Markt und traf daselbst zwei häßliche Zauberer, die ihn ihm nach langem Feilschen für einen halben Gulden abhandelten und ihm sagten, er sollte ihn nach ihrem Hause tragen und dort das Geld in Empfang nehmen. Die Hexenmeister gingen also voran und er hinterher, so daß er hörte, wie sie zueinander in kauderwelscher Sprache redeten und sagten: »Wer hätte uns das wohl vorausgesagt, Ghiennarone, daß wir diesen herrlichen Fund tun würden? Unser Glück ist ganz gewiß durch den Stein gemacht, den der Hahn, wie du weißt, in seinem Kopfe hat und den wir schleunigst in einen Ring fassen lassen wollen, denn dann haben wir alles, was wir nur irgend wünschen können.« – »Husch, Jakovijccio«, erwiderte Ghiennarone, »wir sind da reich geworden, ehe wir uns dessen versahen, und ich kann die Zeit nicht erwarten, wo ich dem Hahn den Kopf abreißen und den Bettelsack zum Teufel werfen werde, um mir endlich einmal einen ganzen Rock anzuziehen, denn Tugend ohne Geld gilt nichts in der Welt, und nur Kleider machen Leute.« Als Aniello, der sich lange in der Welt umgesehen hatte und kein Fritz mehr war, die Gaunersprache hörte, machte er in einem engen Gäßchen kehrt und nahm Reißaus. Nach Hause zurückgekommen, drehte er dem Hahn den Hals um und fand in seinem Kopf wirklich den Stein. Er ließ diesen hierauf in Messing fassen, und um seine Kraft auf die Probe zu stellen, sagte er: »Ich möchte gern ein Bursche von achtzehn Jahren werden.« Kaum hatte er diese Worte geäußert, so lief ihm das Blut rascher durch die Adern, die Nerven wurden ihm stärker, die Beine kräftiger, das Fleisch frischer, die Augen feuriger, die Silberhaare verwandelten sich in Gold, der Mund, der einem verfallenen Hause ähnlich war, bevölkerte sich mit Zähnen, und der Bart, der einem Jagdgehege glich, wurde zum Saatland; mit einem Worte, in einen sehr schönen Jüngling verwandelt, sagte er aufs neue: »Ich möchte gern einen prächtigen Palast haben«, und alsobald stand ein Palast von unglaublicher Schönheit da, in welchem sich Gemächer zum Bewundern, Säulen zum Staunen und Gemälde, um außer sich zu geraten, befanden; alles starrte von Silber, Gold trat man mit Füßen, die Edelsteine waren haufenweise verschwendet, überall wimmelte es von Dienern, und die Zahl der Pferde und Wagen ging ins unendliche; kurzum, der Palast zeugte von solcher Pracht, daß sogar der König die Augen weit aufmachte und ihm mit Vergnügen seine Tochter Natalizia zur Frau gab. Unterdessen hatten die Zauberer den großen Reichtum Minec'Aniellos wahrgenommen und entwarfen daher einen Plan, ihn aus dem Schloß des Glücks, in dem er saß, zu vertreiben. Sie verfertigten nämlich eine Puppe, die mittels eines Uhrwerks Musik machte und tanzte, und erschienen so eines Tages, als Handelsleute gekleidet, vor der Tochter Aniellos, namens Pentella, unter dem Verwände, ihr die Puppe verkaufen zu wollen. Als Pentella das niedliche Ding sah, fragte sie sogleich nach dem Preise, worauf jedoch jene antworteten, daß die Puppe auch nicht für die größte Summe Goldes feil sei, daß sie jedoch der Pentella für eine kleine Gefälligkeit zu Diensten stände, wenn sie ihnen nämlich den Ring, den ihr Vater am Finger trüge, zeigen wollte, damit sie von ihm einen Abdruck nehmen und sich einen ähnlichen machen lassen könnten; dann, wie gesagt, würden sie Pentella die Puppe ohne irgendeine Bezahlung zum Geschenk machen. Da Pentella dieses Anerbieten hörte, nahm sie es ganz uneingedenk des Sprichwortes: »Was billig ist, ist teuer«, ohne weiteres von ihnen an und sagte zu ihnen, sie sollten den andern Morgen wiederkommen; denn sie würde sich den Ring von ihrem Vater ausleihen. Kaum waren also die Zauberer fortgegangen und der Vater nach Hause gekommen, so ging sie ihm so sehr um den Bart und überhäufte ihn mit so vielen Schmeicheleien, daß sie ihn dazu brachte, ihr den Ring zu geben, indem sie nämlich vorwandte, sie wäre sehr niedergeschlagen und wolle sich ein wenig aufheitern. Am darauffolgenden Tage, um die Zeit, wenn der Straßenmeister der Sonne den Kehricht der Dunkelheit von den Wegen und Plätzen des Himmels wegfegen läßt, kamen die Zauberer auch wirklich an und hatten nicht so bald den Ring in ihren Händen, als sie auch in einem Hui verschwanden, so daß nicht die geringste Spur von ihnen übrigblieb und die arme Pentella vor Bestürzung fast gestorben wäre. Die Zauberer befahlen aber, sobald sie in einem Walde angelangt waren, wo die Zweige der Bäume einen Blütenreigen aufführten und andere sich lustig wiegten, dem Ringe, daß er alle Wünsche des verjüngten Greises zerstöre. Dieser befand sich gerade bei dem König und sah sich daher plötzlich ergrauen, sein Haar bleich, die Stirn runzlig, die Brauen borstig, die Augen rot, das Gesicht durchfurcht, den Mund zahnlos, den Bart zum Walde, den Rücken bucklig, die Beine zitternd und vor allem die glänzende Kleidung zerlumpt und zerrissen werden. Als nun der König diesen schmutzigen Bettler in vertraulicher Unterhaltung neben sich sitzen sah, ließ er ihn alsobald unter Prügeln und Schmähreden aus dem Palast jagen, worauf Aniello, so plötzlich aus seinem Himmel gefallen, weinend seine Tochter aufsuchte und, indem er sie nach dem Ringe fragte, um seinem Unglück Abhilfe zu leisten, den ihm von den vorgeblichen Handelsleuten gespielten Streich vernahm, so daß er nahe daran war, sich aus einem Fenster zu stürzen. Tausendmal verwünschte er die Torheit Pentellas, die ihn, um einer unseligen Puppe willen, in einen so häßlichen Popanz, wegen eines aus Lumpen gemachten Dinges ihn selbst in einen Lumpen verwandelt hatte, und beschloß daher, sich so lange wie ein böser Groschen in der Welt umherzutreiben, bis er diesen Handelsleuten auf die Spur käme. Dies sagend, zog er sich eine Jacke über den Rücken, steckte Holzschuhe an die Füße, nahm einen Quersack über die Schultern und einen Knüppel in die Hand, und indem er die Tochter, welche außer sich vor Angst und Schrecken dastand, zurückließ, fing er wie verrückt darauf loszugehen an und stiefelte so lange, bis er nach dem von Mäusen bewohnten Königreich Tiefloch gelangte, wo er für einen Spion der Katzen gehalten und sogleich vor den König Nagerich gebracht wurde. Von diesem befragt, wer er wäre, woher er käme und was er in jenem Lande suche, erzählte Minec'Aniello, nachdem er ihm zuvor eine Schwarte als Tribut gegeben, haarklein alle seine Unglücksfälle und schloß, indem er sagte, daß er seine mühselige Wanderung fortsetzen wolle, bis er etwas von jenen verdammten Schelmen höre, die ihm ein so kostbares Juwel abgeluchst und in einem Augenblick die Blüte der Jugend, den Quell des Reichtums und die Stütze des Ansehens geraubt hatten. Bei diesen Worten fühlte Nagerich sich selbst von Mitleid benagt, und da er den armen Mann einigermaßen zu trösten wünschte, berief er die ältesten Mäuse zu einer Ratsversammlung, fragte sie um ihre Meinung hinsichtlich der Unfälle Aniellos und befahl ihnen, daß sie sich alle Mühe geben sollten; um etwas über diese vorgeblichen Handelsleute zu erfahren. Es traf sich nun, daß unter anderen auch Knabberich und Springerle, zwei in den Weltläufen sehr erfahrene Mäuse, die sich gegen sechs Jahre in einem Wirtshaus an der Heerstraße aufgehalten hatten, anwesend waren, und sagten: »Sei guten Muts, Freund, denn es wird besser mit dir gehen, als du glaubst. Du mußt nämlich wissen, daß, als wir uns eines Tages in einem Zimmer des Wirtshauses ›Zum Horn‹ befanden, in das die vornehmsten Leute der Welt einzukehren und sich lustig zu machen pflegen, zwei Leute, die von Langfingerstadt kamen, eintraten, und nachdem sie gegessen und dem Wein tüchtig zugesprochen, von einem Streich zu reden begannen, den sie einem gewissen alten Manne von Schwarzlochstadt gespielt, indem sie ihm einen Stein von besonderen Eigenschaften wegstibitzt hatten; wobei einer von ihnen, der sich Ghiennarone nannte, sagte, daß er ihn niemals vom Finger ablegen wollte, damit er nicht einmal gleich der Tochter des alten Mannes darum käme.« Sobald Aniello dies vernahm, sagte er zu den beiden Mäusen, daß, wenn sie sich getrauten, ihn in die Heimat jener Gauner zu begleiten und ihm den Ring wieder zu verschaffen, er ihnen eine Last Käse und Pökelfleisch geben würde, damit sie dieselbe in Gesellschaft des Königs verzehren könnten. Da so die beiden Mäuse hörten, daß sie ihre Dienste nicht umsonst tun sollten, so versprachen sie ihm alles mögliche und machten sich mit Erlaubnis Sr. Mausetät in Begleitung Aniellos auf den Marsch. Nachdem sie den langen Weg nach Krummfingerstadt zurückgelegt hatten, hießen die Mäuse den Minec'Aniello unter einigen Bäumen am Ufer eines Flusses zurückbleiben, der wie ein Blutegel den blutigen Schweiß der Feldarbeiter einsaugte, um ihn ins Meer zu speien, während sie selbst sich in das Haus der Zauberer begaben, woselbst sie jedoch wahrnahmen, daß Ghiennarone den Ring stets am Finger trug und ihn zu keiner Zeit ablegte. Sie suchten ihm daher durch eine List den Sieg abzugewinnen, und nachdem sie so lange gewartet, bis die Nacht das von der Sonne verbrannte Antlitz des Himmels im kühlen Taubade erfrischte und Ghiennarone in tiefen Schlaf gesunken war, fing Knabberich an, ihm den Ringfinger zu benagen, so daß jener, welcher glaubte, daß der Ring ihn drücke, ihn neben sich auf ein Tischchen zu Häupten des Bettes legte. Kaum nahm Springerle dies wahr, so nahm er rasch den Ring ins Maul, und über Hals und Kopf davonrennend, langte er bald mit seinem Gefährten bei Aniello an, welcher mehr erfreut als der arme Sünder, wenn er begnadigt wird, die beiden Zauberer sogleich in Esel verwandelte, auf deren einem er seinen Mantel ausbreitete und wie ein Graf einherritt, während er den anderen mit Speck und Käse belud und sich dann auf den Weg nach Tiefloch machte, woselbst er den König und seine Räte herrlich bewirtete und ihnen für all das Gute, welches er von ihnen erfahren, herzlich dankte, indem er zugleich den Himmel anflehte, daß ihnen nie eine Falle Schaden zufügen noch eine Katze auflauern, noch Arsenik Unheil verursachen möchte. Hierauf zog er fort, und da er in einer noch viel schöneren Gestalt als früher in Schwarzloch anlangte, so wurde er von dem König und dessen Tochter mit den größten Schmeicheleien empfangen und lebte mit letzterer, nachdem er die beiden Esel von einem Felsen hatte herabstürzen lassen, von Stund an in großer Lust und Freude; jedoch nahm er nie wieder seinen Ring vom Finger, um nicht etwa einen neuen Bockstreich zu begehen, denn: Der Gebrannte fürchtet das Feuer.


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