Folk Tale

Die beiden Kuchen

Translated From

Le Doie Pizzelle

AuthorGiambattista Basile
Book TitleLo cunto de li cunti overo lo trattenemiento de peccerille
Publication Date1634
LanguageNeapolitan

Other Translations / Adaptations

Text titleLanguageAuthorPublication Date
The Two CakesEnglish__
ATU403
LanguageGerman
OriginItaly

Sicherlich hätte der Prinz und seine Gemahlin gesagt, daß die Geschichte Antonellas alle bis dahin erzählten bei weitem überträfe, hätten sie es nicht vermeiden wollen, Ciulla zu entmutigen, die alsbald die Lanze ihrer Zunge einlegte und auf folgende Weise mitten in den Ring des Wohlgefallens beider traf: Ich habe immer sagen hören, daß, wer Gutes tut, Gutes erfährt; denn auch die Glocke von Manfredonia sagt: »dämme dotte« (das heißt: gib mir, dann geb' ich dir), und daß, wer nicht die Lockspeise der Freundlichkeit an den Angelhaken der Liebe steckt, niemals den Fisch der Vergeltung fängt. Wenn ihr nun die Anwendung hiervon wissen wollt, so gebt acht auf die folgende Erzählung, und dann sollt ihr mir sagen, ob der Geizige oder der Freigebige besser daran ist. Es waren einmal zwei leibliche Schwestern, namens Luceta und Troccola, die zwei Töchter hatten, die Marziella und Puccia hießen. Marziella war so schön von Antlitz als von Herzen, wie im Gegenteil Herz und Gesicht Puccias als Beweis der Regel: »Häßliche Fratze, teuflisches Herz«, dienen konnten. Jedoch glich die Tochter eben nur ihren Eltern; denn ihre Mutter Troccola war eine Harpyie, in- und auswendig ein Scheusal. Es geschah nun einmal, daß Luceta einige Pastinaken abbrühen wollte, um sie mit einer grünen Brühe zuzurichten, und daher zu ihrer Tochter sagte: »Liebe Marziella, gehe an den Brunnen, mein Kind, und hole mir einen Krug Wasser.« – »Gleich, liebe Mutter«, antwortete Marziella; »wenn du mir aber gut bist, so gib mir einen kleinen Kuchen; denn ich will ihn am Brunnen mit einem Schluck ganz frischen Wassers verzehren.« – »Sehr gern, mein Töchterchen«, versetzte Luceta, nahm aus einem Korbe, der an der Wand hing, einen schönen Kuchen (denn sie hatte am Tag vorher Brot gebacken) und gab ihn Marziella, die alsbald mit dem Kruge auf dem durch einen Wulst geschützten Kopfe nach dem Brunnen ging, der wie ein Marktschreier auf einer Bank von Marmor bei der Musik des herabfallenden Wassers Geheimmittel gegen den Durst verkaufte. Indem sie aber eben ihren Krug anfüllte, kam eine alte Frau, die auf der Schaubühne eines großen Buckels die Tragödie der Zeit darstellte und bei dem Anblick des schönen Kuchens, in den Marziella eben beißen wollte, zu ihr sprach: »Gib mir doch ein Stückchen von deinem Kuchen, mein schönes Töchterchen, der Himmel wird es dir auch tausendfach lohnen.« Worauf Marziella, die so freigebig war wie eine Königin, zu ihr sagte: »Da hast du ihn ganz, meine wackere Frau, und es tut mir nur leid, daß er nicht aus Zucker und Mandeln ist, denn dann würde ich ihn dir nicht minder von Herzen gern geben.« Als die Alte die Freundlichkeit Marziellas sah, rief sie aus: »Tausend Dank, mein liebes Kind, und möge der Himmel dich für die Gutherzigkeit, die du mir erwiesen, reichlich belohnen; denn ich flehe alle Sterne an, daß du immerdar glücklich und zufrieden seiest, so daß, wenn du atmest, dir Rosen und Jasmin aus dem Munde kommen, wenn du dich kämmst, dir immer Perlen und Granaten vom Kopfe fallen, und wenn du den Fuß auf die Erde setzest, Lilien und Veilchen hervorsprießen mögen.« Marziella dankte ihr vielmal und kehrte nach dem Hause zurück, woselbst die Mutter ihre Mahlzeit zurichtete und dann beide dem Körper die natürliche Schuld entrichteten. Als nun dieser Tag vorüber war und am nächsten Morgen die Sonne auf dem Markt der Himmelsgefilde die aus dem Orient geholte Ware des Lichts ausbreitete, sah Marziella, indem sie sich das Haar kämmte, einen Regen von Perlen und Granaten in ihren Schoß fallen, so daß sie mit großer Freude ihre Mutter herbeirief und dann mit ihr die Kostbarkeiten in ein Kästchen packte. Luceta ging hierauf fort, um einen großen Teil davon bei einem bekannten Pfandleiher zu verkaufen, in welcher Zeit Troccola ihre Schwester zu besuchen kam, und da sie Marziella voll Eifer und Geschäftigkeit bei den Perlen fand, so fragte sie sie, wie, wann und wo sie dieselben bekommen hätte. Marziella nun, die noch sehr unerfahren war und vielleicht nicht das Sprichwort kannte: »Iß nicht so viel, als der Magen faßt, gib auch so viel nicht aus, als du hast; tu auch nicht alles, was du vermagst und bedenke wohl erst, was du sagst«, erzählte der Tante alles ganz ausführlich. Dieser lag nun nicht weiter daran, ihre Schwester abzuwarten, sondern jede Stunde, bis sie nach Hause zurückgekehrt war, schien ihr tausend Jahre lang; sie gab dann sogleich ihrer Tochter einen Kuchen und schickte sie mit einem Kruge nach Wasser an den Brunnen, woselbst diese zwar die nämliche Alte antraf, aber, von ihr um ein Stückchen Kuchen gebeten, mit mürrischer und mißgünstiger Miene antwortete: »Habe ich weiter nichts zu tun, als dir Kuchen zu geben? Bin ich denn ein Esel, daß ich dir von dem Meinigen etwas zukommen lassen soll? Ja, warte nur, ich bin mir selbst der allernächste.« Und indem sie so sprach, verputzte sie in vier Bissen den ganzen Kuchen und ließ der Alten weiter nichts als einen großen Appetit, so daß diese, den letzten Bissen verschlungen und zugleich mit dem Kuchen auch ihre Hoffnung begraben sehend, voller Zorn zu Puccia sagte: »Geh nur immer hin, denn ich flehe den Himmel an, daß, wenn du atmest, dir wie dem Maultier eines Doktors Schaum aus dem Maule triefen, wenn du dich kämmst, dir die Läuse haufenweise vom Kopfe fallen, und wo du auch deinen Fuß hinsetzt, Farnkraut und Wolfsmilch hervorkommen mögen.« Nachdem aber Puccia das Wasser eingeschöpft und nach Hause zurückgekehrt war, konnte es ihre Mutter gar nicht erwarten, sie zu kämmen, und indem sie sich eine reine Serviette über den Schoß breitete, legte sie den Kopf der Tochter darauf und fing an, sie zu kämmen; aber siehe da! Statt der Perlen und Granaten fielen ein Haufen Läuse herab, so viele, daß sie das Alchimistenkunststück zuwege gebracht hätten, selbst das Quecksilber zum Stehen zu bringen, während es doch sonst diese Tierchen umbringt. Bei diesem Anblick fühlte Troccola außer dem Schnee des Neides auch noch das Feuer des Zornes in der Brust und spie durch Nase und Mund Rauch und Flamme. Nun geschah es nach einiger Zeit, daß der Bruder Marziellas, namens Ciommo, der sich am Hofe des Königs von Chiunzo befand, eines Tages, als man von der Schönheit verschiedener Frauen sprach, unaufgefordert hervortrat und sagte, daß alle Schönheiten Knochen aus dem Rinnsteine suchen könnten, wenn seine Schwester sich zeige, da sie außer der Schönheit ihres Körpers, welche zur ewigen Melodie ihrer schönen Seele die Begleitung bildete, auch noch in Haar, Mund und Füßen eine ihr von einer Fee verliehene wunderbare Eigenschaft besäße. Als der König diese Lobeserhebungen vernahm, so sagte er zu Ciommo, er solle seine Schwester an den Hof kommen lassen, denn wenn er sie so fände, wie ihr Bruder sie pries, so würde er sie heiraten. Ciommo, der diese günstige Gelegenheit, sein und der Seinigen Glück zu machen nicht verlieren wollte, schickte sogleich einen Kurier an seine Mutter, meldete ihr alles und bat sie dringend, auf das schnellste mit Marziella zu ihm an den Hof zu kommen und das sich darbietende Glück sich nicht aus den Händen schlüpfen zu lassen. Da jedoch Luceta gerade krank war, so bestellte sie den Wolf zum Hüter des Lammes und bat ihre Schwester, daß sie ihr doch den Gefallen erzeigen möchte, Marziella aus der und der Ursache an den Hof von Chiunzo zu begleiten. Troccola, die sah, daß ihre Sache ganz nach Wunsch ging, versprach ihrer Schwester, Marziella ganz wohlbehalten zu ihrem Bruder zu bringen, bestieg dann mit dieser und Puccia ein Schiff, und als sie sich mitten auf dem Meere befanden, stürzte sie, während das Schiffsvolk schlief, Marziella ins Wasser, wo diese, im Begriff, sich übersatt zu trinken, von einer sehr schönen Sirene ergriffen und davongetragen wurde. Als nun Troccola in Chiunzo angelangt und Puccia von Ciommo so empfangen worden war, als wäre sie Marziella gewesen, da er diese wegen der langen Zeit, die er sie nicht gesehen, nicht mehr kannte, so brachte er sie alsbald vor den König; nachdem dieser aber befohlen, sie zu kämmen, begannen die süßen Tierchen herabzuregnen, und als er sie hierauf genauer betrachtete, sah er, daß sie, wegen der Anstrengung auf der Reise stärker als gewöhnlich atmend, am Mund einen Seifenschaum bekommen hatte, daß sie aussah wie ein Waschfaß mit Wäsche, sowie er auch, indem er zur Erde schaute, eine Wiese voll stinkender Kräuter bemerkte, deren Anblick ihm Ekel erregte. Er jagte daher Puccia und ihre Mutter fort, und Ciommo befahl er voll Verdruß, die Gänse seines Hofes zu hüten. Dieser war voll Verzweiflung, gar nicht begreifend, was mit ihm vorgegangen war, und ließ gewöhnlich die Gänse, nachdem er sie aufs Feld getrieben, am Meeresufer umherlaufen, wie sie wollten, während er sich selbst in einer Strohhütte niederlegte und bis zur Abendzeit, wo er nach Hause kehren mußte, sein Schicksal bejammerte. Indem nun aber so die Gänse am Ufer auf und ab watschelten, kam jedesmal Marziella aus dem Wasser empor, fütterte sie mit Zuckerwerk und gab ihnen Rosenwasser zu trinken, so daß die Gänse so fett wurden wie die Hammel und fast nicht aus den Augen sehen konnten, und immer, wann sie des Abends in einem Gärtchen anlangten, das sich unter den Fenstern des Königs befand, fingen sie an zu singen: Pire, pire, pire,

sehr schön ist zwar die Sonne mit dem Monde,

doch ist bei weitem schöner, wer uns pflegt. Als der König jeden Abend diese Gänsemusik vernahm, ließ er Ciommo rufen und wollte wissen, wo, wie und womit er seine Gänse füttere, worauf Ciommo ihm erwiderte: »Ich gebe ihnen nichts anderes zu fressen als das frische Gras des Feldes.« Der König aber, den diese Antwort nicht recht befriedigte, schickte ihm einmal einen treuen Diener nach, damit er achtgeben solle, wohin Ciommo die Gänse triebe. Dieser folgte ihm nun und sah, wie er in die Strohhütte trat und die Gänse sich selbst überließ, worauf diese an das Meeresufer liefen und kaum dort angelangt waren, als Marziella aus dem Meere hervorkam, so schön, daß selbst Venus, die Mutter des blinden Amor, der, wie jener Dichter sagt: »kein anderes Almosen will als Tränen«, nicht so schön aus den Wellen emporstieg. Nachdem nun der Diener alles gesehen, eilte er, ganz außer sich vor Verwundern, zum König zurück und erzählte ihm, welch ein schönes Schauspiel er auf der Bühne des Meeresufers gesehen, so daß die durch die Worte des Dieners erregte Neugier des Königs in diesem auch das Verlangen weckte, den schönen Anblick zu genießen. Als daher am Morgen der Hahn, einem Demagogen gleich, alle Vögel aufreizte, die Menschen gegen die Nacht zu bewaffnen, und Ciommo sich mit den Gänsen an den gewöhnlichen Ort begeben hatte, ging der König ihm nach, ohne ihn auch nur einen Augenblick aus den Augen zu verlieren, und sah, sobald die Gänse ohne Ciommo, der in der Strohhütte zurückblieb, ans Meer gelangt waren, wie Marziella aus den Wellen hervorkam, hierauf zuerst den Gänsen einen Korb mit Zuckerwerk zu fressen und einen Napf mit Rosenwasser zu trinken gab, alsdann aber sich auf einen Stein niedersetzte und sich die Haare zu kämmen anfing, aus denen sogleich Perlen und Granaten haufenweise herabfielen, während ihr zu gleicher Zeit eine Wolke von Blumen aus dem Munde kam und unter ihren Füßen sich ein türkischer Teppich von Lilien und Veilchen bildete. Kaum bemerkte dies der König, so ließ er unverzüglich Ciommo herbeirufen und fragte ihn, auf Marziella zeigend, ob er jene schöne Jungfrau kenne. Ciommo erkannte nun auf der Stelle seine Schwester, eilte auf sie los, um sie zu umarmen, und vernahm in Gegenwart des Königs, wie verräterisch Troccola an ihr gehandelt und wie der Neid dieses Ungeheuers jenes schöne Liebesfeuer zwingen gewollt, im Wasser des Meeres zu erlöschen. Unbeschreiblich groß war die Freude des Königs über den erlangten Besitz dieses schönen Juwels, und sich zu ihrem Bruder wendend, sagte er, daß er sie mit vollem Recht so sehr gepriesen hätte, daß er mehr als dreimal soviel fände, als Ciommo ihm erzählt, und daß er daher Marziella für mehr als würdig hielte, seine Gemahlin zu werden, wenn sie es zufrieden wäre, das Zepter seines Reiches zu empfangen. »Wolle der Himmel, daß mir dieses Glück zuteil würde«', versetzte Marziella, »und daß ich als Magd deiner Krone dienen dürfte! Siehst du denn aber nicht diese goldene Kette, die ich am Fuße trage und mit der mich die Sirene gefesselt hält, so daß sie mich, wenn ich zu viel frische Luft schöpfe und zu lange am Ufer zögere, an ihr ins Meer zurückzieht und mich so in goldener Sklaverei hält?« – »Was ist also zu tun«, erwiderte der König, »um dich aus den Klauen der Sirene zu befreien?« – »Nichts anderes«, antwortete Marziella, »als daß diese Kette mit einer Schlichtfeile durchfeilt und mir dann abgenommen wird.« – »So erwarte mich morgen früh«, entgegnete der König, »ich werde mit allem Nötigen kommen und dich dann in meinen Palast bringen, wo du mein rechtes Auge, das Innerste meines Herzens und das Leben meiner Seele sein sollst.« Nachdem sie sich hierauf durch einen Handschlag das Angeld ihrer Liebe gegeben, kehrte sie ins Wasser, der König aber ins Feuer zurück, und zwar in ein solches Feuer, daß er den ganzen Tag hindurch keinen Augenblick Ruhe hatte. Auch als die Nacht schwarz wie eine Mohrin erschien, um mit den Sternen einen Kontertanz aufzuführen, käute er mit den Backen der Erinnerung die Schönheiten Marziellas wieder, indem er über das Mirakel ihrer Haare, das Wunder ihres Mundes und das Kunstgewebe ihrer Füße nachdachte, und das Gold ihrer herrlichen Eigenschaften am Probierstein der Überlegung streichend, fand er, daß es vom allerfeinsten Gehalt war. Jedoch schmähte er zugleich die Nacht, daß sie so lange zögerte, mit der Sternstickerei aufzuhören, und verwünschte die Sonne, daß sie nicht mit dem Lichtwagen erscheine, um seine Behausung durch den Besitz des ersehnten Gutes zu beglücken und seine Gemächer mit einem Goldbergwerk, das Perlen, und einer Perlmuschel, die Blumen hervorbrachte, zu bereichern. Während er aber so in einem Qualenmeere umhergeworfen wurde, an die denkend, die sich im wirklichen Meere befand, erschienen endlich die Pioniere der Sonne, die die Wege ebneten, auf denen sie mit dem Heere der Strahlen einherziehen sollte, und nachdem der König sich angekleidet, begab er sich mit Ciommo an die Küste, woselbst er Marziella bereits antraf und mit der mitgebrachten Feile eigenhändig die Kette von dem Fuß des geliebten Gegenstandes losfeilte, obwohl er zugleich sich selbst eine andere, viel stärkere, um das Herz schmiedete. Er nahm sie alsdann ohne Zögern auf die Kruppe, die bereits im Sattel seines Herzens so fest saß, und machte sich unverzüglich auf den Weg nach dem königlichen Palast, wo er bereits seiner Anordnung gemäß von allen schönen Frauen des Landes erwartet und Marziella mit allen nur möglichen Ehrenbezeigungen von ihnen als Gebieterin empfangen wurde. Als dann der König seine Hochzeit mit großen Festlichkeiten beging, bei denen zahlreiche Fässer als Lustfeuer angezündet wurden, befahl er zugleich, Troccola in eines derselben als Pechtonne zu stecken, damit sie so für den an Marziella geübten Verrat büße. Alsdann ließ er Luceta herbeiholen und verlieh ihr und Ciommo ein Einkommen, von dem sie wie die Prinzen leben konnten, während Puccia, aus dem Lande gejagt, immer als Bettlerin umherwandern und dafür, daß sie nicht hatte ein Stückchen Kuchen säen wollen, einen steten Mangel an Brot erdulden mußte, da es der Wille des Himmels ist, daß: Wer kein Mitleid hat, kein Mitleid finde.


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