Folk Tale

Jugend ohne Alter und Leben ohne Tod

Translated From

Tinerețe fără bătrânețe și viață fără de moarte

AuthorPetre Ispirescu
LanguageRomanian

Other Translations / Adaptations

Text titleLanguageAuthorPublication Date
Youth Without Age And Life Without DeathEnglish__
LanguageGerman
OriginRomania

Es war einmal, was einmal war, als Weidenbäume Veilchen trieben, als Stubenfliegen Märchen schrieben, als auf der Pappel Birnen reiften, als Lamm und Wolf den Wald durchstreiften und brüderlich im Grünen grasten, als Bären durch die Wälder rasten, einander mit den Schwänzen schlugen, als Flöhe Eisenhufe trugen und Sprünge bis zum Himmel machten und uns von oben Märchen brachten.

Es war einmal ein mächtiger Kaiser, der hatte eine Gemahlin, und beide waren jung und schön. Da sie sich Kinder wünschten, baten sie Heilkundige und Weltweise, ihnen aus dem Lauf der Gestirne zu prophezeien, ob sie Kinder bekommen würden. Doch niemand konnte es ihnen sagen. Eines Tages hörte der Kaiser, dass in einem nahen Dorf ein weiser Alter lebe, und schickte Boten aus, um ihn zu holen; der aber antwortete: „Wer etwas von mir will, soll zu mir kommen.“

So brachen denn der Kaiser und seine Gemahlin, begleitet von einigen angesehenen Bojaren, von Kriegern und vom Hofgesinde, auf und begaben sich zum Hause des Alten. Als dieser sie von weitem erblickte, trat er vor die Tür, sie zu empfangen, und sagte:

„Seid alle willkommen; aber was willst du wissen, Kaiser? Wenn dein Wunsch in Erfüllung geht, wird dir daraus großer Kummer erwachsen.“

„Nicht um das zu erfahren, bin ich hier“, sagte der Kaiser, „sondern um dich zu fragen, ob du ein Mittel kennst, das uns zu Kindern verhelfen könnte.“

„Ich kenne solch ein Mittel, doch sollt ihr nur ein einziges Kind bekommene, den Prinzen Wunderhold so stark und treu wie Gold, aber ihr werdet seiner nicht froh werden.“

Der Kaiser und seine Gemahlin nahmen das Mittel in Empfang, kehrten guten Mutes in ihr Schloss zurück, und nach einigen Tagen fühlte die Kaiserin, dass sie ein Kind unter dem Herzen trug. Das ganze Kaiserreich, der ganze Hof und das ganze Hofgesinde freuten sich, als sie davon erfuhren.

Bevor die Stunde der Geburt gekommen war, begann das Kind zu weinen, und kein Heilkundiger vermochte es zu beruhigen. Da versprach der Kaiser ihm alle Schätze der Welt, aber auch dadurch konnte er es nicht zum Schweigen bringen.

„Sei still, mein Liebling“, sagte der Kaiser, „ich werde dir ein ganzes Kaiserreich schenken. Sei still, mein Sohn, ich werde dir eine schöne und reiche Prinzessin zur Gemahlin geben“, und noch vieles andere dieser Art. Weil aber das Kind noch immer weinte, sagte er schließlich zu ihm: „Sei still, mein Junge, ich werde dir Jugend ohne Alter und Leben ohne Tod geben.“

Da beruhigte sich das Kind und kam zur Welt. Sogleich rührten die Musikanten die Trommel und stießen ins Horn, und im ganzen Kaiserreich wurde das freudige Ereignis eine Woche lang gefeiert.

Der Knabe wuchs heran und wurde immer klüger und kühner. Die Eltern ließen ihn alle Schulen besuchen und gaben ihm die größten Weisen zu Lehrern, und was andere Kinder in einem Jahre lernten, das lernte er in einem Monat, so dass der Kaiser sich vor Freude nicht zu fassen wusste.

Es kam aber eine Zeit, da sich das Gemüt des Prinzen verdüsterte, er wurde schwermütig. Als er das fünfzehnte Lebensjahr vollendet hatte, sagte er zu seinem Vater:

„Vater, es ist an der Zeit, mir das zu geben, was du mir bei meiner Geburt versprochen hast.“

Bei diesen Worten wurde der Kaiser traurig und antwortete ihm:

„Alles, was recht ist, mein Sohn, aber wie kann ich dir eine so unerhörte Gabe beschaffen? Wenn ich sie dir damals versprach, so geschah es nur, um dich zu beruhigen.“

„Wenn du mir die Gabe nicht besorgen kannst, Vater, so muss ich die ganze Welt durchwandern, bis ich finde, was mir verheißen wurde.“

Da fiel der Kaiser auf die Knie und bat ihn, das Reich nicht zu verlassen. Allein es war nicht möglich, ihn von seinem Vorhaben abzubringen, fest wie ein Fels beharrte er auf seinem Entschluss. Als sein Vater dies sah, ließ er ihm den Willen und gab Auftrag, Mundvorrat und alles Nötige für den Weg vorzubereiten.

Darauf ging der Prinz Wunderhold in den Stall wo sich die schönsten Hengste des ganzen Reiches befanden, um sich einen auszuwählen; sobald er aber das eine oder das andere Tier nur anfasste und am Schweif zog, fiel es um, und so stürzten schließlich alle Pferde zu Boden. Zu guter Letzt ließ er seine Blicke noch einmal durch den Stall wandern. Da gewahrte er in einer Ecke ein krankes, mit Geschwüren bedecktes, mageres Pferd und packte es am Schweif. Augenblicklich wandte es den Kopf und fragte:

„Was befiehlst du, Gebieter?“

Es stand kerzengerade da. Nun erklärte ihm Prinz Wunderhold, was er vorhabe, und das Pferd sagte:

„Um auszuführen, was du im Sinne hast, musst du von deinem Vater das Schwert, den Speer, den Bogen. den Köcher mit den Pfeilen und die Gewänder verlangen, die er als Jüngling getragen hat; mich aber musst du sechs Wochen lang mit eigener Hand betreuen und mit in Milch gekochter Gerste füttern.“

Als der Prinz diese Dinge von seinem Vater verlangte, ließ der Kaiser den Haushofmeister kommen und befahl ihm, alle Truhen zu öffnen, damit sein Sohn sich auswählen konnte, was ihm gefiel. Nachdem Prinz Wunderhold drei Tage und drei Nächte lang in diesen Truhen gewühlt hatte, fand er schließlich auf dem Boden einer alten Kiste das Gewand seines Vaters, das er in seinen Jünglingsjahren getragen hatte, dann auch dieWaffen; doch diese waren verrostet. Er machte sich daran, sie eigenhändig zu säubern, und nach sechs Wochen waren sie schließlich spiegelblank. Derweil betreute er auch das Ross nach dessen Wunsch.

Als Prinz Wunderhold dem Pferde sagte, dass Gewand und Waffen blitzsauber wären, schüttelte es sich einmal, und alle Schwäche fiel von ihm ab: es stand gesund da, ein kräftiges, wohlgestaltetes Ross mit vier Flügeln; Prinz Wunderhold aber sagte zu ihm:

„In drei Tagen brechen wir auf.“

„Recht so, mein Gebieter! Ich bin bereit“, antwortete das Pferd.

Am dritten Tage war das ganze Kaiserreich von Trauer erfüllt. Prinz Wunderhold, gerüstet wie ein Recke, das Schwert in der Hand, saß auf dem Pferd, das er sich erwählt hatte, und nahm Abschied vom Kaiser, von der Kaiserin, von den großen und den kleinen Bojaren, von den Kriegern und vom ganzen Hofgesinde. Alle baten ihn mit Tränen in den Augen, von seinem Vorhaben abzusehen, es könne ihn ins Verderben führen. Er aber gab dem Pferd die Sporen und flog wie der Wind zum Tor hinaus; es folgten ihm die Wagen mit dem Mundvorrat und dem Gelde sowie an die zweihundert Krieger, die ihn auf Geheiß des Kaisers begleiteten.

Nachdem Prinz Wunderhold die Grenze des väterlichen Reiches überschritten hatte und in eine öde Gegend gekommen war, verteilte er alles, was er besaß, unter die Krieger, verabschiedete sich von ihnen und schickte sie heim; für sich behielt er nur soviel Mundvorrat, wie das Pferd zu tragen vermochte. Er zog dann gen Osten, drei Tage und drei Nächte ritt er, schließlich gelangte er zu einer weiten Ebene, wo eine Menge Menschenknochen lagen.

Als er anhielt, um zu rasten, sagte das Pferd:

„Wisse, mein Gebieter, dass wir uns hier auf dem Besitztum der Gheonoaia-Hexe befinden; jeder, der ihren Grund und Boden betritt, muss sterben. Jetzt ist sie bei ihren Kindern; doch morgen werden wir ihr im Walde, den du vor dir siehst, begegnen. Sie wird kommen, um dich zu verderben. Riesengroß ist sie, erschrick aber nicht vor ihr. Halte nur den Bogen bereit, um auf sie zu schießen, und ebenso das Schwert und die Lanze, um dich im Notfall zu wehren.“

Am nächsten Tag, als der Morgen graute, schickten sie sich an, den Wald zu durchqueren. Prinz Wunderhold zäumte das Pferd, sattelte es, zog den Sattelgurt fester an als gewöhnlich und brach auf. Plötzlich hörte er ein furchtbares Getöse. Da sagte ihm das Pferd: „Pass auf, mein Gebieter, dort kommt die Gheonoaia!“ Sie stürmte so wild heran, dass sie die Bäume auf ihrem Weg entwurzelte. Doch das schwang sich wie der Wind empor, bis es über ihr war, und Prinz Wunderhold schoss ihr mit einem Pfeil einen Fuß ab. Alls er sich anschickte, einen zweiten Pfeil abzuschnellen, rief sie:

„Halt ein, Prinz Wunderhold, ich tu dir nichts zuleide!“

Und da sie merkte, dass er ihr nicht glaubte, schrieb sie es hin mit ihrem eigenen Blute.

„Möge dir dein Pferd erhalten bleiben“, sagte sie dann, „denn es ist ein Zauberpferd; wäre es nicht gewesen, hätte ich dir den Garaus gemacht; so aber hast du mich besiegt. Denn wisse! Bis auf den heutigen Tag hat es kein sterblicher gewagt, die Grenzen meines Landes zu überschreiten. Einige tollkühne Narren sind gerade noch bis zu der Ebene gekommen, wo du das viele Gebein gesehen hast.“

Sie gingen in ihre Behausung, und Gheonoaia bewirtete den Prinzen Wunderhold aufs beste. Bei Tisch aber, wo sie den Speisen und den Getränken nach Herzenslust zusprachen, stöhnte die Hexe vor Schmerz. Da zog der Prinz ihren Fuß aus seinem Quersack und setzte ihn ihr wieder ein. Alsbald heilte die Wunde. Vor Freude bewirtete ihn die Hexe drei Tage lang und bat ihn, sich eine von ihren drei Töchtern, die schön waren wie Feen, zur Gemahlin zu wählen. Er aber wollte davon nichts wissen und sagte ihr offen, was er suchte. Da erwiderte sie ihm;

„Mit deinem Pferde und bei deiner Tapferkeit, glaube ich, wird dir alles gelingen.“

Nach drei Tagen brach Prinz Wunderhold auf. Er ritt und ritt, doch der Weg schien immer länger zu werden. Als er endlich das Gebiet der Gheonoaia verlassen hatte, gelangte er auf eine schöne Wiese, deren eine Hälfte mit saftigem, deren andere Hälfte aber mit dürrem Grase bedeckt war. Da fragte er das Pferd, warum das Gras verdorrt sei, und es antwortete ihm:

„Hier sind wir auf dem Grund und Boden der Unholdin Scorpia, einer Schwester der Gheonoaia-Hexe; böse wie die beiden sind, vertragen sie sich nicht und können nicht zusammen hausen. Sie leben in einer furchtbaren Feindschaft. Die eine will der anderen das Land rauben. Wenn Scorpia sehr zornig ist, speit sie Pech und Feuer. Offenbar ist sie wieder mit ihrer Schwester in Streit geraten und hat, um diese von ihrem Besitztum zu vertreiben, das Gras versengt. Sie ist noch böser als ihre Schwester und hat drei Köpfe. Wir wollen ein wenig ruhen, mein Gebieter, und morgen in aller Frühe bereit sein!“

Am nächsten Tag rüsteten sie sich zum Kampfe wie vor der Begegnung mit der Hexe und brachen auf. Plötzlich vernahmen sie grässliches Geheul und Gebrause. „Halte dich bereit, mein Gebieter, schau, dort kommt das Scheusal, die Scorpia!“

Die Unholdin stob, aus ihrem klaffenden Rachen Flammen speiend, rasch wie der Wind heran. Das Pferd jedoch schwang sich blitzschnell empor, bis es schräg über ihr war. Wunderhold schoss einen Pfeil ab und trennte einen ihrer Köpfe vom Rumpf. Als er sich anschickte, auch den zweiten abzuschießen, beschwor sie ihn mit Tränen in den Augen, ihr zu vergeben; sie wolle ihm nichts Böses tun. Damit er es ihr glaubte, schrieb sie es hin mit ihrem eigenen Blut. Die Scorpia bewirtete ihn noch reichlicher als die Hexe; er gab ihr den Kopf zurück, und dieser wuchs wieder an. Nach drei Tagen zog Prinz Wunderhold weiter.

Nachdem er das Gebiet der Scorpia verlassen hatte, ritt er und ritt und ritt, bis er schließlich zu einer Wiese gelangte, auf der viele, viele Blumen wuchsen und ewiger Frühling herrschte. Jede einzelne Blume war von besonderer Schönheit und dufte süß und betäubend. Ein lindes Lüftchen wehte wie ein Hauch über diese Wiese. Hier machten sie halt, um auszuruhen, aber das Pferd sprach:

„Bis jetzt haben wir alle Fährnisse schlecht und recht überstanden; allein wir müssen noch ein Hindernis überwinden; es droht und eine große Gefahr. Vor, nicht weit von hier, befindet sich das Schloss, in dem Jugend ohne Alter und Leben ohne Tod wohnen. Dieses Schloss ist von einem hohen, dichten Wald umgeben. in dem die wildesten Raubtiere der Welt hausen; Tag und Nacht hüten sie das Gebäude, ohne je zu schlafen, und es gibt ihrer unendlich viele. Mit ihnen zu kämpfen, das ist unmöglich; den Wald zu durchqueren, das übersteigt unsere Kräfte. Wir müssen versuchen, über ihn hinwegzuspringen, vielleicht gelingt es uns.“

Nachdem sie zwei Tage gerastet hatten, rüsteten sie sich wieder zum Aufbruch; da sagte das Pferd mit angehaltenem Atem:

„Mein Gebieter, zieh den Sattelgurt so fest an, wie du nur kannst, halte dich gut in den Steigbügeln und klammere dich an meine Mähne; deine Beine musst du eng an meinen Leib pressen, damit du mich beim Flug nicht behinderst.“

Prinz Wunderhold schwang sich in den Sattel, und einen Augenblick später war er dicht vor dem Wald.

„Mein Gebieter“, fügte das Pferd noch hinzu, „jetzt ist die Zeit, da die Tiere des Waldes ihr Futter bekommen und im Hof versammelt sind. Drum lass uns jetzt den Wald überfliegen!“

„Wohlan“, antwortete der Prinz.

Sie stiegen auf. Da erblickten sie auch schon das Schloss, und nichts auf der Welt war schöner, auch nicht der Glanz des Sonnenlichts.

Sie überflogen den Wald, und als sie vor der Treppe des Schlosses zu Boden gleiten wollten, streifte das Pferd mit einem Bein ganz unmerklich den Wipfel eines Baumes. Da geriet der ganze Wald in Bewegung; die Tiere heulten, dass einen der kalte Graus packen konnte. Prinz Wunderhold und sein Pferd ließen sich eilends herunter, und wäre die Herrin des Schlosses nicht draußen gewesen, um die lieben Kleinen – so nannte sie die Raubtiere – zu füttern, hätten diese Ross und Reiter zerfleischt.

Eher aus Freude darüber, dass sie gekommen waren, als um ihnen Gutes zu erweisen, rettete die Herrin des Schlosses sie, denn sie hatte noch nie vorher einen Menschen gesehen. Sie beschwichtigte die Raubtiere und schickte sie wieder in den Wald. Die Herrin war eine hohe, schlanke, liebliche, eine über alle Maßen schöne Fee. Als Prinz Wunderhold sie erblickte, blieb er starr vor Staunen stehen. Sie aber sah ihn mitleidig an und sagte:

„Willkommen, Prinz Wunderhold! Was suchst du hier?“

„Ich suche“, sagte er, "Jugend ohne Alter und Leben ohne Tod"

„Wenn du das suchst, so bist du am richtigen Ort.“

Da stieg er vom Pferd und trat in das Schloss. Dort fand er noch zwei andere Frauen vor, die beide gleich jung zu sein schienen; es waren die älteren Schwestern der Fee. Dieser dankte er für seine Rettung. Die Frauen aber tischten vor Freude ein herrliches Mahl auf, und zwar in Gefäßen aus purem Gold. Das Pferd ließ der Prinz frei weiden; dann machten sich die beiden Gäste mit den Raubtieren bekannt, so dass sie sorglos im Wald umherstreifen konnten.

Die Feen baten den Prinzen, bei ihnen zu bleiben, sie hätten es satt, immer allein zu sein. Er ließ sich das nicht zweimal sagen und nahm dankbar an, denn gerade dies hatte er sich gewünscht.

Allmählich gewöhnten sie sich aneinander, und er erzählte den Feen seine Geschichte und was ihm alles widerfahren, ehe er zu ihnen gekommen war. Nach kurzer Zeit nahm er die jüngste Fee zur Gemahlin. Bei der Hochzeit gaben ihm die Herrinnen die Erlaubnis, alle Orte der Umgebung nach belieben aufzusuchen, nur ein bestimmtes Tal, das sie ihm zeigten, sollte er meiden, sonst würde es ihm übel ergehen. Und sie sagte ihm auch, dass man es Tal der Tränen nenne.

So lebte er lange Zeit dort, ohne darüber nachzudenken, wie lange, da er immer so jung blieb wie bei seiner Ankunft. Er streifte furchtlos durch den Wald und weilte voller Lust in den Räumen des prunkvollen Schlosses; er lebte in Frieden und Eintracht mit seiner Gattin und mit seinen Schwägerinnen; er freute sich an der Schönheit der Blumen und der Frische der Luft, er war vollkommen glücklich. Sehr oft ging er auf die Jagd. Allein eines Tages, als er einen Hasen verfolgte, schoss er einen, schoss er zwei Pfeile ab, ohne ihn zu treffen; ärgerlich jagte er ihm nach und schoss auch den dritten Pfeil ab; dieser verfehlte sein Ziel nicht. Doch in seinem Eifer hatte der unglückselige Prinz Wunderhold nicht gemerkt, dass er bei der Verfolgung des Hasen ins Tal der Tränen geraten war.

Er hob den Hasen auf und kehrte heim; und da, ob ihr’s glaubt oder nicht, überkam ihn plötzlich die Sehnsucht nach seinem Vater und nach seiner Mutter. Er wagte es nicht, sich den Feen anzuvertrauen, aber sie sahen ihm seine Traurigkeit und Unruhe an. „Unseliger, du bist im Tal der Tränen gewesen!“ sagten sie erschrocken.

„So ist es, meine Lieben; ohne zu wollen, habe ich diese Torheit begangen, und jetzt vergehe ich vor Sehnsucht nach meinen Eltern. Allein ich kann es auch nicht übers Herz bringen, euch zu verlassen. Ich lebe nun schon so lange bei euch und habe keinen Grund zur Klage. So will ich denn nur fortreiten, um meine Eltern noch einmal zu sehen, und dann kehre ich zurück und bleibe für immer bei euch.“

„Verlass uns nicht, Geliebter! Deine Eltern sind schon seit vielen hundert Jahren tot, und wir fürchten, dass auch du, wenn du fortgehst, nicht mehr zurückkehrst. Bleib bei uns! Das Herz sagt uns, dass du zugrunde gehen wirst.“

Weder die Bitten der drei Feen noch die seines Pferdes vermochten ihn von seinem Vorhaben abzubringen, da ihn die Sehnsucht nach seinen Eltern verzehrte. Schließlich sprach das Pferd zu ihm:

„Willst du nicht auf mich hören, mein Gebieter, so trage ich dich zurück. Sobald wir aber zum Schloss deines Vaters kommen, setze ich dich ab und kehre um, selbst wenn du auch nur eine einzige Stunde verweilen willst.“

„Ich bin’s zufrieden“, antwortete Prinz Wunderhold.

Sie rüsteten sich für den Weg; nachdem sie Abschied genommen hatten, brachen sie auf. Die Feen sahen ihm seufzend und mit Tränen in den Augen nach.

Sie kamen in die Gegend, wo einst das Gebiet der Unholdin Scorpia gewesen war. Dort fanden sie Städte, die Wälder hatten sich in fruchtbare Felder verwandelt. Die beiden fragten nach der Unholdin und ihrer Behausung, doch die Leute antworteten, ihre Großväter hätten von deren Urahnen wohl solch dummes Zeug gehört.

„Wie ist das nur möglich?“ rief Prinz Wunderhold. „Vor kurzem erst bin ich hier vorbeigekommen.“ Und er erzählte ihnen alles, was er wusste.

Die Bewohner des Landes lachten ihn aus wie einen, der irre redet oder im Wachen träumt, er aber war bestürzt und zog weiter, ohne zu merken, dass sein Bart und sein Haar weiß geworden waren.

Als er zum Besitztum der Gheonoaia-Hexe kam, stellte er die gleichen Fragen wie auf dem Gebiet, das der Scorpia gehört hatte, und bekam ähnliche Antworten. Er konnte nicht begreifen, dass diese Gegenden sich in so kurzer Zeit verändert hatten, und verstört zog er weiter. Sein weißer Bart reichte ihm jetzt bis zum Gürtel und er spürte ein Zittern in den Beinen. So gelangte er schließlich in das Reich seines Vaters. Hier fand er andere Menschen und andere Städte, und die alten hatten sich so verändert, dass er sie nicht mehr erkannte.

Endlich gelangte er zum Schloss, wo er zur Welt gekommen war,

Er stieg ab, und sogleich küsste das Pferd ihm die Hand und sagte:

„Leb wohl, mein Gebieter, ich kehre dorthin zurück, woher wir gekommen sind. Willst du mit, so schwing dich augenblicklich in den Sattel und lass uns aufbrechen.!“

„Zieh getrost deines Weges; auch ich hoffe bald zurückzukehren.“

Da schoss das Pferd wie ein Pfeil davon.

Als der Prinz das verfallene und von Unkraut überwucherte Schloss sah, seufzte er schwer, und mit Tränen in den Augen suchte er sich in Erinnerung zu rufen, wie prächtig das Gebäude einst gewesen war. Er ging mehrmals durch das Schloss, durchsuchte jeden Raum, jedes Eckchen, das ihn an vergangene Zeiten erinnerte, auch den Stall, wo er sein Pferd gefunden hatte; schließlich stieg er in den Keller hinab, dessen Eingang von Mauertrümmern fast verschüttet war.

Als er so suchte – sein weißer Bart hing ihm bis zu den Knien, die Augenlider wurden ihm schwer, und seine Füße trugen ihn kaum noch –, stieß er auf eine morsche Truhe. Er öffnete sie, aber sie war leer, da hob er den Deckel eines Innenfachs, und eine dünne, zittrige Stimme sagte:

„Willkommen! Hättest du noch länger gesäumt, so wäre auch ich zugrunde gegangen.“

Und sein Tod, der schon zusammengeschrumpft und krumm wie ein Haken im Kästchen lag, rührte ihn an, dass Prinz Wunderhold tot zu Boden fiel und zu Staub wurde.

Doch ich bestieg mein Ross und ritt, dies Märchen bringe ich euch mit.


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